Auf die Nachricht, die wir gestern Abend im spanischen TV gehört haben, habe ich ehrlich gesagt nur gewartet. Spätestens als das Fernsehen davon berichtete, ich glaube letzte Woche, dass man Adoptionsverfahren für Waisenkinder aus Haiti beschleunigen wollte, und als man Bilder sah, wie die ersten haitianischen Kinder bereits schon vor Tagen in den USA von ihren Adoptiveltern in die Arme geschlossen wurden, dachte ich mir, hoppla, das ging aber ganz schön schnell… nicht etwa zu schnell? Wie immer in den USA; typisch. Klar, die Hilfsbereitschaft weltweit ist enorm, wir sind alle geschockt – ich inklusive – bei den Bildern des zerstörten Landes, bei den Bildern der vielen tausend Menschen die unter freiem Himmel schlafen und nichts zu essen haben, bei den Bildern der vielen tausend entsetzten Kinderaugen, die nicht wissen, was um sie geschehen ist, wo ihre Familien sind, wie sie etwas zu essen bekommen… Was liegt da näher, und das ist nun wirklich menschlich, daran zu denken, einem solchen Kind wo schnell als möglich helfen zu wollen. Wie gesagt, ich finde diesen Wunsch menschlich und das Mitleiden mit diesen Kindern finde ich auch richtig.
Nicht richtig finde ich, auf Grund einer Naturkatastrophe die üblichen Verfahren einer Auslandsadoption, wie sie die Haager Konvention empfiehlt, über einen Haufen zu schmeißen. Ich sage nichts gegen die Tatsache, dass Adoptionsverfahren beschleunigt werden sollen, schon gar nicht, wenn es sich um Adoptionen handelt, die schon vor dem Erdbeben bewilligt wurden. Von meinen Bekannten, über ich die ich schon öfter mal gebloggt habe, weiß ich, wie lange sich – gerade in Haiti! – so ein Adoptionsverfahren hinzieht, selbst wenn man bereits ein Kind zugesprochen bekommen hat, dessen Namen man schon kennt, dessen Bilder man schon erhaltet hat… Meine Freunde „kannten“ ihren Sohn bereits 2 Jahre (!!!), als sie endlich nach Haiti fliegen durften, um ihn abzuholen. Das sagt, denke ich alles.
Nein, das was ich kritisiere sind erstens die Torschlusshandlungen. Die Adoption eines Kindes kann, bei aller Liebe und bei allem Mitleid, und darf nicht in einem Moment des Affekts „beschlossen“ werden. Sie muss reiflich und sehr gut überlegt werden. Man muss als potentielle Eltern gut auf alles vorbereitet werden und man muss auch geprüft werden, ob man als Adoptiveltern auch wirklich in Frage kommt. Das alles frisst nun Mal seine Zeit, so ist es. Nicht nur, weil die bürokratischen Mühlen langsam mahlen, sondern auch – und das ist der entscheidende Punkt – weil die Adoptionsanwärter ihren Wunsch unbedingt reifen lassen müssen. Bei einer Adoption geht es schließlich nicht darum, den Wunsch der Eltern zu genügen, ihre Kinderlosigkeit zu beenden, sondern darum, für elternlose Kinder die passenden Eltern zu finden.
Viele Menschen können und wollen das anscheinend nicht verstehen und ja, so ist es, es gibt Leute, die den langsamen Prozess ein Schnippchen schlagen wollen und über diverse Länder, deren Kontrollen nicht so scharf sind wie in Deutschland und Spanien (ich spiele u. a. auf die USA an), zurückgreifen. Ein ganz kleiner Teil geht sogar so weit, dubiose Organisationen mit der Vermittlung eines Kindes zu beauftragen. Denn ist das Kind einmal im Land, ist es schwierig, dass es den Adoptiveltern wieder weggenommen wird. hauptsache also, das Kind ist erstmal „da“.
Und so kommen wir auf den Punkt, auf den ich hinauswill: Solche Aktionen von diesen verantwortungslosen schwarzen Schafen unter den adoptionswilligen Eltern, die den Kontakt zu solchen Mafias suchen, erreichen, dass das passiert, was leider nicht erst aufgrund des Erdbebens in Haiti passiert ist, sondern in Haiti sogar schon VOR dem Erdbeben leider gang und gebe war: Kinder werden entführt und so den sie doch ach so herzlich liebenden neuen weißen Eltern in Europa, die ihnen so viel mehr bieten können als ihre scharzen in einem Slum lebenden Eltern.
In Haiti wurden bisher, laut Nachrichten, jährlich bis zu 2000 Kinder (!!!!) vermisst, die eine Familie haben. Man vermutet die Kinderhandelsmafia dahinter. Und gestern eben erreichte uns die Meldung von UNICEF SPANIEN, dass seit dem Erbeben jetzt schon 15 Anzeigen von vermissten und vermutlich entführten Kindern (die sich zuvor in einem Krankenhaus befunden hatten!!!!) eingegangen sind. Diese Fälle müssten natürlich noch geprüft werden, aber ganz ehrlich: ich glaube, dass das stimmt und ich bin mir auch sicher, dass es noch vieeeeel mehr gibt und noch viiiiel mehr werden – LEIDER!!!
Quellen zu dem Thema könnt Ihr außerdem hier finden:
auf Deutsch:
Blog-Beitrag vom PFAD (Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e. V.)
Süddeutsche Zeitung (Artikel vom 21.01. der allgemein über das Erdbeben, Adoption und Haiti spricht)
Die Welt (Artikel von heute)
auf Spanisch: Das Video zur Nachrichtenmeldung im spanischen Fernsehen
Ich habe vor ein paar Tagen auch etwas über Kinderhandel in Haiti gehört!
Und ganz ehrlich…das erschreckt mich zutiefst!
Ich habe die gleichen Gedanken wie du, kann also deine Worte absolut verstehen!
Ich hoffe, bei all der weltweiten Hilfe und Organisation (die ich im Übrigen auch erstaunlich und gut finde), dass für diese Kinder ebenfalls etwas getan wird! Sie müssen unbedingt geschützt werden! Wie sollen sie sich denn wehren??? 😦
Ich bin immer noch fassungslos. Wie können Menschen aus dem Leid anderer nur solchen Profit schlagen… 😦
Das wird es leider immer wieder geben!
Besonders schlimm ist es immer, wenn es mit Kindern und Tieren geschieht…die können sich einfach am wenigsten wehren! 😦
Schlimm…unbegreiflich schlimm!
Jetzt hat auch das Deutsche Ärzteblatt zu dem Thema geschrieben:
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=39791
Im spanischen Fernsehen haben sie heute übrigens auch die schöne Seite gezeigt: Die ersten Adoptivkinder aus Haiti, die nach dem Erdbeben nach Spanien eingereist sind, und zwar sind das Kinder, deren Adoptionsverfahren schon vor dem Erdbeben abgeschlossen waren. Eine der Adoptivmütter erzählte dem Reporter, dass sie den Antrag auf Adoption vor 5 (!!!) Jahren gestellt hatte.
[…] auf dieses Kind gestoßen ist, und dass in Wirklichkeit noch viel mehr Geschäfte getrieben werden. Wie in Haiti, vor einem Jahr, als nach der Erdbebenkatastrophe hinterhältige Organisationen Geld witterten und […]